Analyse des Projektes Siegerländer AOK Firmenlauf am 10. Juli 2019

Mittendrin statt nur dabei – der Siegerländer AOK Firmenlauf 2019 war für alle Menschen zugänglich

Am 10. Juli 2019 fand in Siegen zum 16. Mal der Siegerländer AOK Firmenlauf statt. Rund 9.000 Teilnehmer/innen liefen an diesem Tag durch Siegens Straßen: Chefs und Auszubildende, Einheimische und Geflüchtete, Menschen mit und ohne Behinderungen. Der gemeinsam erlebte Spaß und gegenseitige Toleranz standen dabei wie immer an erster Stelle. Der Siegerländer AOK Firmenlauf sei laut des Veranstalters, der Laufschule :anlauf, Deutschlands erster barrierefreier Firmenlauf. Barrierefreiheit wurde 2019 sowohl im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für die Veranstaltung als auch während der Veranstaltung verwirklicht. So gab es beispielsweise einen Flyer in Brailleschrift und einen Flyer in Leichter Sprache. Für das Gespräch am Informationsstand stand für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung eine tragbare Induktionsschleife zur Verfügung. Auf dem gesamten Veranstaltungsgelände zeigten Wegweiser, wo sich barrierefreie Toiletten befanden. Bei Bedarf wurde ein Laufpartner bzw. eine Laufpartnerin organisiert. Angehörige einer Selbsthilfeorganisation und Menschen aus sozialen Einrichtungen zahlten eine ermäßigte Startgebühr. Durch die vielfältigen Maßnahmen, die die Veranstaltung für Menschen mit und ohne Behinderungen zugänglich machen sollten, sollte das Motto „mittendrin statt nur dabei“ verwirklicht werden. „Im Rahmen von begleitenden Aktionen, gezielter Öffentlichkeitsarbeit und der gemeinsamen Begegnung beim Firmenlauf sollen Möglichkeiten geschaffen werden, das Bewusstsein für ein tolerantes und offenes Miteinander zu schärfen“, so der Veranstalter. Das Projekt zeichne sich auch dadurch aus, dass es auf andere Firmenläufe und Laufveranstaltungen übertragbar sei, die regelmäßig in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen durchgeführt werden.

Von 2004 bis heute: Kontinuierliche Weiterentwicklung der Angebote für Menschen mit Behinderungen

Inklusive Laufangebote gibt es im Siegerland schon lange. Im Jahr 2004 fand der Siegerländer Firmenlauf zum ersten Mal statt. Auch damals war der Firmenlauf schon inklusiv; es gingen Menschen mit und ohne Behinderungen an den Start. Seither wird der Siegerländer Firmenlauf jährlich durchgeführt. 2006 stand der Siegerländer Firmenlauf unter dem Motto „Run for Diversity“. In den darauffolgenden Jahren nahmen Personen aus Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und aus Selbsthilfeorganisationen zunehmend am Siegerländer Firmenlauf teil. 2007 entstand zudem in Zusammenarbeit mit der Stadt Siegen, der Arbeiterwohlfahrt Siegen/Wittgenstein und der Laufschule :anlauf der inklusive Lauftreff „Lauf mit“. 2018 wurde in Zusammenarbeit mit dem Kreis Siegen-Wittgenstein der Info-Film „Ein Lauf für alle. Inklusion läuft!“ entwickelt. Im Rahmen des Projekts „Für mehr Barrierefreiheit im Sport, Kultur- und Freizeitbereich", das vom Verein INVEMA durchgeführt wurde, konnten für den Siegerländer Firmenlauf 2019 zahlreiche barrierefreie Materialien hergestellt werden.

Wer ist an dem Siegerländer AOK Firmenlauf beteiligt?

Träger des Projekts ist die Laufschule „:anlauf - Veranstaltungen - Projekte – Teamservice“. Darüber hinaus sind noch weitere Akteure mit dafür verantwortlich, dass der Siegerländer Firmenlauf erfolgreich durchgeführt werden kann. So finanziert sich der Firmenlauf durch Sponsoren. Zu nennen sind hier die AOK, die Volksbank Siegen, Krombacher alkoholfrei, die Siegener Verkehrsbetriebe, Hoppmann Autowelt, die Druckerei Winddruck, innogy, Dornseifer, die Personalunion, und die IG Metall. Außerdem bestehen Kooperationen mit dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Verein INVEMA. Auch werden Vertreter/innen von Selbsthilfeorganisationen in die Planung des Firmenlaufs einbezogen. Zu beachten sei laut des Veranstalters, dass Maßnahmen zur Sicherstellung von Barrierefreiheit zusätzlich Geld kosten. Es sei unter Umständen schwierig, hierfür finanzielle Mittel zu bekommen. Der Veranstalter hatte das Glück, bei den Sponsoren mit diesem Thema auf offene Ohren zu stoßen.

Wie wurde der Siegerländer Firmenlauf 2019 bekannt gemacht?

Im Vorfeld der Veranstaltung gab es zahlreiche Maßnahmen, die den Siegerländer Firmenlauf und insbesondere seine inklusive Ausrichtung bekannt machen sollten. Einerseits wurde über die Medien wie regionale und überregionale Zeitungen, das Radio und das Internet (Youtube und Facebook) auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht. Andererseits gab es Infoveranstaltungen wie beispielsweise eine Vorführung des Films „Ein Lauf für alle“. Zudem gab es ein Infotreffen für Firmenlauf-Multiplikatoren und eine Infoveranstaltung zum Thema „Inklusion läuft“. Interessierte können außerdem einen Newsletter abonnieren.

Einschätzung des Siegerländer AOK Firmenlaufs durch das Inklusionskataster anhand der Kriterien des Katasters

Hervorzuheben ist bei diesem Projekt, dass hier existierende Strukturen vor Ort genutzt werden, um Inklusion umzusetzen. Es wird kein spezielles Inklusionsangebot entwickelt, das ausschließlich darauf ausgerichtet ist, die Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderungen zu fördern. Vielmehr geht es hier darum, bei einem etablierten Sportangebot, an dem jährlich sehr viele Menschen aus der Region teilnehmen und das sehr viele Zuschauer/innen anlockt, Inklusion selbstverständlich werden zu lassen. Bei Inklusionsprojekten, die sich speziell dem Thema Inklusion verschrieben haben, besteht die Gefahr, dass unter Umständen nur die Personen erreicht werden, die sich ohnehin schon mit dem Thema Inklusion beschäftigt haben. Wird hingegen Inklusion bei einem in der Region etablierten Sportangebot, wie dem Siegerländer Firmenlauf, umgesetzt, können möglicherweise Personen für das Thema Inklusion sensibilisiert werden, die in ihrem Alltag mit dem Thema Inklusion in der Regel nicht in Berührung kommen. Da der Firmenlauf in Siegen jährlich stattfindet, handelt es sich hier nicht um eine einmalige inklusive Aktion, sondern um eine auf Verstetigung ausgerichtete inklusive Aktion. Der Firmenlauf ist keine Veranstaltung, die nur in Siegen stattfindet. In mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen haben sich Firmenläufe etabliert. Somit gibt es bereits ähnliche Veranstaltungen, auf die die Maßnahmen übertragen werden können, die entwickelt wurden, um den Siegerländer Firmenlauf inklusiv zu machen. Auch auf Laufveranstaltungen, die keine Firmenläufe sind, sind die Maßnahmen übertragbar.

Positiv zu bewerten ist zudem, dass sich die Maßnahmen, die die Veranstaltung barrierefrei machen sollen, nicht nur auf eine Beeinträchtigungsform beschränken. Berücksichtigt werden Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sowie Menschen mit einer Sinnes- oder Lernbeeinträchtigung gleichermaßen. Öffentlichkeitsarbeit wird primär über allgemeine Medien und nicht über Medien betrieben, die sich ausschließlich an Menschen mit Beeinträchtigungen richten. So kann sichergestellt werden, dass die Veranstaltung auch tatsächlich die breite Masse anspricht.

Das Projekt nimmt Bezug auf mehrere Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention. So ist das Projekt darauf ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an Sportangeboten zu ermöglichen. Es nimmt also Bezug auf Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention.

Das Projekt bewirkt, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung für Menschen mit Behinderungen geschärft wird (Artikel 8 UN-BRK). Indem Menschen mit Behinderungen beim Siegerländer Firmenlauf an den Start gehen, werden sie sichtbar (zumindest dann, wenn sie eine sichtbare Beeinträchtigung haben). So machen sie auf sich und ihre Belange aufmerksam. Dadurch, dass sie gemeinsam mit Menschen ohne Beeinträchtigungen an den Start gehen, wird das Bewusstsein für Inklusion geschärft. Auch auf Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention (Zugänglichkeit) nimmt das Projekt Bezug, da Materialien, die über den Lauf informieren und der Lauf selber durch entsprechende Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden.

Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass das Projekt ungewollt dazu beiträgt, exklusive Strukturen zu fördern. Wenn Menschen mit Behinderungen beim Siegerländer Firmenlauf vor allem als Angehörige von Selbsthilfeorganisationen oder Mitarbeiter/innen in sozialen Einrichtungen an den Start gehen und dies für andere sichtbar wird, mag dies das Bild in den Köpfen anderer Personen festigen, dass Menschen mit Behinderungen Personen sind, die in Sonderwelten leben. Es erscheint lohnenswert, Maßnahmen zu entwickeln, um verstärkt auch Inklusionsbetriebe oder Betriebe mit inklusiver Ausrichtung zu ermutigen, sich mit ihrer vielfältig zusammengesetzten Belegschaft am Firmenlauf zu beteiligen.

Derzeit gibt es auf der Internetseite des Siegerländer Firmenlaufs eine Rubrik zum Thema Inklusion, in der die barrierefreien Materialien zu finden sind. An anderen Stellen auf der Internetseite ist die Barrierefreiheit jedoch noch nicht konsequent umgesetzt worden. So fehlen bei einigen Fotos beispielsweise Alternativtexte. Perspektivisch ist es wünschenswert, wenn die Sonderrubrik zum Thema Inklusion nicht mehr notwendig ist, sondern Barrierefreiheit zum selbstverständlichen Bestandteil aller Angebote auf der Internetseite des Firmenlaufs wird.

Der Siegerländer AOK Firmenlauf leistet einen wichtigen Beitrag, um Inklusion in Zukunft selbstverständlich werden zu lassen. Er kann von anderen Laufveranstaltungen als Anregung genutzt werden, um die eigene Veranstaltung ebenfalls inklusiv auszurichten.

Ansprechpartner/in

:anlauf Siegen, Martin Hoffmann
Eiserfelder Straße 8, 57072 Siegen
0271/405 78 691

info@anlauf-siegen.de
www.siegerlaender-aok-firmenlauf.de

 

Bildrechte

Die zur Illustration verwendeten Bilder wurden uns von den jeweiligen Projektverantwortlichen zur Verfügung gestellt. Dem Projektpartner bleiben alle Urheberrechte vorbehalten.