Inklusive Gestaltung von Bildungseinrichtungen und anderen Einrichtungen für die Allgemeinheit

Einrichtungen für die Allgemeinheit kommt eine hohe Bedeutung zu, wenn es darum geht, Entwicklungen im kommunalen Raum hin zu einem ‚Inklusiven Gemeinwesen‘ zu initiieren bzw. zu fördern. Mit Einrichtungen für die Allgemeinheit sind 

Betreuungs- und Bildungseinrichtungen sowie Verwaltungsstellen, soziale und andere Dienstleistungseinrichtungen, Kultur- und Freizeitangebote

in einer Kommune gemeint, im weitesten Sinne also alle Einrichtungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen oder für sie bereitgestellt werden. Solche Einrichtungen sind der soziale Kern eines örtlichen Gemeinwesens. Von ihrer Beschaffenheit sind die Möglichkeiten der individuellen Zugehörigkeit, individuellen Entwicklung und ggfs. der Diskriminierung und des Ausschlusses abhängig. 

Inklusiv gestaltet werden müssen sowohl Einrichtungen, die dem öffentlichen Sektor zugehören und Einrichtungen, die in privater Rechtsträgerschaft stehen als auch Einrichtungen des privaten Sektors. Das verfassungsmäßige Diskriminierungsverbot gilt generell, und durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist Diskriminierung recht weit gefasst (vgl. § 2 AGG). Auch die UN-Behindertenrechtskonvention bezieht den privaten Sektor wie selbstverständlich in die Regelungen zur Herstellung von Zugänglichkeit mit ein (vgl. Art. 9 UN-BRK). Es ist allerdings unklar, in wieweit eine Verpflichtung privater Anbieter von Waren und Dienstleistungen rechtlich umgesetzt werden kann. Dies macht sich vor allem an der Frage fest, wer für die Kosten aufkommt, die bei Anpassungsmaßnahmen entstehen. Eine konkrete - wenn auch bisher noch wenig genutzte Form - Einrichtungen des Privatsektors an die Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit zu binden, sind Zielvereinbarungen. Nach § 5 BGG und § 5 BGG-NRW können Zielvereinbarungen zwischen Verbänden und privaten Unternehmen oder anderen Organisationen geschlossen werden, in denen Standards zur inklusionsorientierten Ausgestaltung zivilrechtlich vereinbart und öffentlich gemacht werden. Eine Übersicht über die Zielvereinbarung geben das Zielvereinbarungsregister des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hier.

Bei der inklusiven Gestaltung von Bildungseinrichtungen und anderen Einrichtungen für die Allgemeinheit kommt es auf kulturbildende Maßnahmen (‚inklusive Kultur’) und damit auf eine inklusive Organisationsentwicklung an. Hilfreich kann hier der ‚Kommunalen Index für Inklusion’ der Montagsstiftung Köln sein. Inklusion wird dabei als prozesshafte Aufgabe für einzelne Personen, Gruppen, Organisationen und Einrichtungen verschiedenster Art im kommunalen Raum verstanden. Willkommensstrukturen sollen gefördert, Zugehörigkeiten ermöglicht und bürgerliches Engagement für das Gemeinwesen gestärkt werden. 

Der Index will mit seinen Fragenkatalogen einen „offenen Referenzrahmen“ bieten, der Interessierten helfen soll, unter der Leitidee der Inklusion zu handeln und dabei aber einen eigenen Weg zu finden (Montag Stiftung 2011: 21ff.). Der ‚Index für Inklusion‘ ist auch methodisch sehr offen angelegt. Im Mittelpunkt stehen Formen der Selbstevaluation mit einem hohen Maß an Freiwilligkeit, die für Organisationsentwicklungsprozesse genutzt werden können. 

Im vorliegenden Zusammenhang erscheint es hilfreich, an den zweiten Abschnitt des ‚Index für Inklusion‘ anzuknüpfen, der sich auf die inklusive Entwicklung von Organisationen bezieht (ebd.: 60 – 102). Die Index-Materialien bieten dazu einen umfangreichen Fragenkatalog, der von Fragen zu gemeinsam geteilten Werten, Zielen und Haltungen ausgeht, auf die Kultur in einer Einrichtung Bezug nimmt und nach dem respektvollen und fairen Umgang der Organisationsmitglieder untereinander sowie nach der Qualität der Zusammenarbeit mit externen Personen und anderen örtlichen Einrichtungen fragt. 

Die im Index für Inklusion angesprochenen Inhalte und Fragen zur inklusiven Organisationsentwicklung können für die Planung eines inklusiven Gemeinwesens gut nutzbar gemacht werden. Ziel des planerischen Vorgehens ist es, Einrichtungen für die Allgemeinheit im kommunalen Raum, systematisch anzuhalten bzw. sie dabei zu unterstützen, sich zu inklusiven Einrichtungen zu entwickeln. Dies bedeutet einerseits, äußere Bedingungen für Zugänglichkeit herzustellen. Es ist aber andererseits auch in jeder einzelnen Einrichtung eine Vorstellung darüber zu entwickeln, wie angemessene Vorkehrungen zur ‚Nutzung für alle‘ aussehen und wie diese fortschreitend umgesetzt werden können.

aus der Arbeitshilfe „Inklusive Gemeinwesen planen“ S.102f.

- Rohrmann, Albrecht; Schädler, Johannes; Kempf, Matthias; Konieczny, Eva; Windisch, Marcus (2014):Inklusive Gemeinwesen Planen Eine Arbeitshilfe, hrsg. vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2014.

Barrierefreiheit

UN-BRK Artikel 9 Abs. 2 - Zugänglichkeit

  1. Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen, 
    1. um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen; 
    2. um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen; 
    3. um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen anzubieten; 
    4. um in Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, Beschilderungen in Brailleschrift und in leicht lesbarer und verständlicher Form anzubringen; 
    5. um menschliche und tierische Hilfe sowie Mittelspersonen, unter anderem Personen zum Führen und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscher und -dolmetscherinnen zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern;
    6. um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird; 
    7. um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern;
    8. um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme in einem frühen Stadium zu fördern, sodass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird.

Inklusive Bildungseinrichtungen

UN-BRK Artikel 24 - Bildung

  1. Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, 
    1. die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken; 
    2. Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; 
    3. Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

 

 

UN-BRK Artikel 30 - Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport

 

  1. Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen
    1. Zugang zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten haben;
    2. Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten in zugänglichen Formaten haben;
    3. Zugang zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken und Tourismusdiensten, sowie, so weit wie möglich, zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung haben.
  2. Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft.
  3. Die Vertragsstaaten unternehmen alle geeigneten Schritte im Einklang mit dem Völkerrecht, um sicherzustellen, dass Gesetze zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums keine ungerechtfertigte oder diskriminierende Barriere für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu kulturellem Material darstellen.
  4. Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt mit Anderen Anspruch auf Anerkennung und Unterstützung ihrer spezifischen kulturellen und sprachlichen Identität, einschließlich der Gebärdensprachen und der Gehörlosenkultur.
  5. Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen,
    1. um Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, so umfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen teilzunehmen, und ihre Teilnahme zu fördern;
    2. um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, behinderungsspezifische Sport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren, zu entwickeln und an solchen teilzunehmen, und zu diesem Zweck die Bereitstellung eines geeigneten Angebots an Anleitung, Training und Ressourcen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen zu fördern;
    3. um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Sport-, Erholungs- und Tourismusstätten haben;
    4. um sicherzustellen, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern an Spiel-, Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmen können, einschließlich im schulischen Bereich;
    5. um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Dienstleistungen der Organisatoren von Erholungs-, Tourismus-, Freizeit- und Sportaktivitäten haben.